Quo vadis PsG?

Das Verhältnis von Sportvereinen zur Prävention sexualisierter Gewalt

Sport und damit die Sportvereine haben in ihrem Kinder- und Jugendbereich per se besondere Möglichkeiten, präventiv im Bereich der sexualisierten Gewalt tätig zu sein: indem Kinder und Jugendliche durch die sportliche Betätigung und im sozialen Miteinander stark und selbstbewusst gemacht werden, um in entscheidenden Situationen „Nein“ zu sagen. Dazu gehört aber auch wie selbstverständlich ein Vereinsumfeld, dass sensibel in diesen Bereichen agiert durch Information der Kinder, Eltern und vor allem der Übungsleiter*innen und Trainer*innen. Denn auf der anderen Seite muss allen Verantwortlichen klar sein bzw. immer wieder vor Augen geführt werden, dass der Sport durch seine Körperlichkeit, aber auch teilweise durch Abhängigkeiten von dort tätigen Personen, ein großes Gefährdungspotential beinhaltet. Sportvereine sind „attraktiv“ für potentielle Täter*innen.

Präventiv Strukturen schaffen, die Transparenz und Offenheit signalisieren. Klare Verhaltensregeln aufstellen und leben, die allen bekannt sind und ohne Vorbehalte Umsetzung finden, so dass bereits bei Grenzverletzungen reagiert wird. So können Sportvereine potentiellen Täter*innen deutlich machen, dass in ihrem Verein „nichts zu holen“ ist. Und darüber hinaus auch pädagogisch in den privaten Bereich hineinwirken, der letztlich in diesem Zusammenhang das größte Problem darstellt. Denn Übungsleiter*innen und Trainer*innen sind für viele Kinder und Jugendliche wichtige und starke Bezugs- und Vertrauenspersonen, die häufig auch direkt oder indirekt Einblicke in familiäre Abläufe bekommen. Genau diese positive Rolle muss aus meiner Sicht noch deutlich stärker hervorgehoben werden, denn die Übungsleiter*innen und Trainer*innen leisten herausragende Arbeit und können damit in den Vereinen eine „Schutzmauer“ errichten.

Aber zunächst müssen die Vereine ihre „Hausaufgaben“ machen, und da gibt es leider in der Breite noch große Versäumnisse. Es gilt, die im Verein für die Jugendarbeit verantwortlichen Personen intensiv in diesem Themenbereich zu schulen und für diese Thematik zu sensibilisieren, um diese Chancen, die sich aus dieser Position ergeben, aktiv zu nutzen.

Obwohl bereits Anfang der 2000 Jahre (Jugend-)Sportorganisationen Prävention sexualisierter Gewalt als Auftrag begriffen und begonnen haben, mit Selbstverpflichtungserklärungen, Verhaltenskodex und Ausbildungsinhalten aktiv in die Vereine zu wirken, scheint es gut 20 Jahre später in vielen Bereichen immer noch ein Tabu-Thema zu sein. „Bei uns gibt es so etwas nicht“. „Ich bin seit 40 Jahren in dem Verein und ich kenne jede/n“ „Dieses Thema macht nur die Leute verrückt“ – so oder so ähnlich sind Aussagen bzw. nicht ausgesprochene Gedanken in den Köpfen von vielen Vereinsverantwortlichen, die so verhindern, dass man sich im Verein aktiv mit diesem Thema auseinandersetzt. Und das, obwohl durch zahlreiche Fälle im Sport und als christlich geprägter DJK-Sportverein zusätzlich in Verbindung mit der Kirche die Bedrohung dokumentiert ist.

Ich erlebe das immer wieder, wenn unsere kostenfreien Schulungsangebote, die den Vereinen in unterschiedlichen Umfängen, von der 2-stündigen Sensibilisierung für Übungsleiter*innen vor Ort bis zum 6-stündigen PsG-Seminar mit Zertifikat, wenig Resonanz erfahren. Ein Blick auf die Homepages vieler Vereine bestätigt diesen Eindruck. Das Thema ist dort selten und dann vielfach auch noch gut „versteckt“ präsentiert – anstatt es deutlich in den Vordergrund zu rücken und aktiv als „Standortvorteil“ zu bewerben – zum Wohle unserer Kinder und Jugendlichen.

Diese teilweise frustrierenden Erlebnisse dürfen aber nicht dazu führen, nachzulassen. Die Sportorganisationen haben da in den letzten Jahren nochmals intensiv nachgesteuert und fordern vielfach verbindliche Präventionskonzepte in ihren Bundes- und Landesorganisationen. Dies gilt es nun weiter an die Basis zu bringen und für alle verbindlich zu machen. Sich aus der Verantwortung stehlen, darf nicht so weiter gehen.

Der Sport mit seiner vielfältigen Körperlichkeit, die wichtig und richtig ist, hat da eine besondere Rolle einzunehmen. Körperkontakt ist, häufig schon aus Sicherheitsgründen, unerlässlich. Und damit ist aber auch zwingend verbunden, dass dieser Körperkontakt mit klaren und nachvollziehbaren Regeln erfolgt. Positive Verhaltens- und Umgangsweisen müssen ein Automatismus werden bzw. sein, ebenso wie negative Regelverletzungen wie selbstverständlich zu Reaktionen, ggf. Sanktionen führen.

Sich allein auf die Vorlage und Einsichtnahme des seit einigen Jahren obligatorischen erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses für alle in der Jugendarbeit intensiv eingesetzten Personen zu verlassen, reicht bei weitem nicht aus, um potentielle Täter*innen zu entlarven bzw. abzuschrecken. Vielmehr müssen die Vereine eine Kultur der Transparenz und Offenheit entwickeln, klare Verhaltensregeln aufstellen und einfordern und so die Sicherheit für ihre Kinder und Jugendlichen deutlich erhöhen. Prävention sexualisierter Gewalt muss zu einer Hauptaufgabe aller Sportvereine werden und darf nicht die Ausnahme sein.

DJK-Sportvereine mit ihren katholischen Wurzeln und ihrer christlichen Werteorientierung müssen dabei eine Vorreiterrolle übernehmen. Denn wenn wir diese Werte ernst nehmen, nehmen wir den Schutz unserer Kinder und Jugendlichen ernst: Sport um der Menschen Willen – wie es schon unser Gründer Carl Mosterts bei der Gründung der DJK 1920 zu Ausdruck gebracht hat. Und das gilt noch immer – vielleicht mehr denn je!

Michael Hannawacker ist geschäftsführender Bildungsreferent im DJK-Diözesanverband Würzburg. Nach dem Abitur studierte er Sportökonomie an der Universität Bayreuth. Sein beruflicher Werdegang führte ihn nach dem Studium zunächst zum Deutschen Skiverband nach Planegg bei München, bevor er dann im DJK-Diözesanverband Würzburg die Stelle des Jugendbildungsreferenten übernommen hat. Prävention sexualisierter Gewalt beschäftigt ihn und die DJK-Sportjugend im DJK-Diözesanverband Würzburg intensiv seit 2010.

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